Virtuosität und Fingerfertigkeit
Unter der Rubrik Gypsy-Gitarre haben wir viele herausragende Namen, allen voran Django Reinhardt, der heute noch höchstes Ansehen genießt, wir haben Biréli Lagrène oder das Rosenberg Trio, wir kennen für den deutschsprachen Raum Häns’che Weiss, Josho Stephan und Wauwau Adler, aber auch Ferenc Snétberger, wir haben es mit einer eigenen Gitarrenbauart zu tun, der Maccaferri- oder Selmer-Gitarre.
Es existieren um den Gypsy Jazz einige Klischees: für die einen ist es Sinti-Roma-Musik, Nomaden-Sound oder Manouche-Musik, für andere ist es Folklore oder melancholischer Swing mit Tempo, die deutsche Bezeichnung Zigeuner-Musik ist als Begriff nicht nur umstritten, sondern schlichtweg diskriminierend, Tatsache: es handelt sich um den ersten Jazzstil Europas, er ist von den Anfängen her dem Swing zuzuordnen, wandelt sich aber und übernimmt andere Stilarten vom Chanson, der Musette hin zum Flamenco und auch dem Bossa Nova – bestes Beispiel: Ferenc Snétbergerr 1994 mit seiner Enja Heritage Collection Variation (for Django Reinhardt)
Onset by Fredi Gebhardt, übersetzt: der Beginn, der Anfang
Django Gypsy gleich Django Reinhardt gleich Move, man weiß um den Swing und Beat, der ohne Schlagzeug auskommt wegen der perkussiven Gitarrenbegleitung, man weiß um die Virtuosität der Instrumentalisten, im Vierviertel mit Fingerfertigkeit und weiter geht’s, Stunden- Tage- Monatelang. Vorneweg eine schicke Melodie, Finger rasen, Mittelteil, Finger fliegen, wieder Melodie und ab. Nächstes Stück. Stunden-, Tage-, Monatelang.
Gypsy – das ist vor allem: Spielfreude, Lebensfreude, Heiterkeit. Atemberaubend.
Fredi Gebhardt, heißt es, sei zweifelsfrei einer der aufstrebenden jungen Talente des Gypsy. Sein Debut als Leader heißt Onset, so viel wie der Beginn, ein Anfang und ein Muss für alle Freunde der Gitarre und des Pianojazz – Pianojazz, bitte? – Ja, überrascht wirst du in Song für Pauli vom einsetzenden Piano von Jerry Lu – das gibt dem Album eine eigene Note. Du hörst das Klavier vorsichtig die Akkorde mit einstimmen, um dann … hör selbst, sehr schick!
Ein Name, den ihr euch merken dürft.
Was sich für das Publikum leichtfingrig swingend und vorwärtstreibend anhört, stellt im technisch harmonischen Sinn eine Herausforderung dar: im Rhythmus bleiben und nicht absichtslos schneller werden, die Arpeggio-Improvisation mit chromatischen Leitern paaren und punktgenau in Rhythmus und Linie überführen, ohne redundant zu wirken und dabei noch originell und vielseitig zu klingen, eine Herausforderung, die sich nicht auf dem Papier stellt, sondern im Zusammenspiel bewiesen werden will. Und in der Komposition, im Harmoniegerüst Entsprechung braucht.
Fredi Gebhardt, haben wir gesehen, hatte seinen ersten großen Auftritt im Zusammenspiel mit Joscho Stephan und Sven Jungbeck 2021, siehe Youtube – Tape Honeysuckle Rose (auf seiner Website)
er wirkt dabei hoch konzentriert, fokussiert auf seine Gitarre, muss unter Druck gestanden haben, das Tempo ist extrem hoch, die Erwartungshaltung offenbar auch, und wie bei einer Kür unter den Augen der Jury gibt es kaum etwas zu beanstanden.
Der Auftritt dort unterscheidet sich nun aber vom Album hier, denn Musik machen rein unter den Vorzeichen der Virtuosität bekommt auf Dauer selbst den Instrumenten nicht, in seinem Debut Album Onset, vom Anfang her, überzeugt Fredi Gebhardt nun auch als Arrangeur und Komponist.
Wie gut ist das denn?
Fredi Gebhardt ist ein Kölner Jazz-Gitarrist, der in Berlin lebt und unterrichtet und durch Deutschland im Auftrag seiner Talente tourt. Ich stoße über den Besuch seiner Website auf ein Gypsy Netz im Facebook, dort gibt es eine Gypsy-Jazzgruppe mit mehr als 4000 Teilnehmenden
Aber auch: die reine Fokussierung auf Gypsy Jazz allein macht jede Aufnahme zu reinem Gypsy und spätestens nach zwei oder drei Stücken weißt du, welche Strecke vor dir liegt. Nicht so auf Onset – das ist vom Anfang her bis zum Ende hin eine abwechslungsreiche und vielseitige Angelegenheit. Prädestiniert dafür, noch einige Aufnahmen folgen zu lassen. Bei dem Repertoire, bei dem Engagement.